E-Commerce in Polen – Wie geht das? Polnische Regelungen zum E-Commercemarkt

E-Commerce in Polen - die wichtigsten Rechtsvorschriften für Unternehmer

Dank der Entwicklung des Internets ist es so einfach wie nie zuvor seine Waren und Dienstleistungen "auf einen click" auf der ganzen Welt anzubieten.

Hierbei müssen jedoch einige Rechtserfordernisse beachtet werden, damit das schnelle Traumgeschäft nicht zum Alptraum wird.

In unserer Serie von Beiträgen finden Sie einen Überblick über die aktuelle Rechtslage in Polen, sowie die wichtigsten Rechts- und Steuerinformationen in Bezug auf E-Commerce in Polen.

In diesem Beitrag befassen wir uns mit dem anwendbaren Recht bei einem Internationalen Fernverkauf.

Ausübung einer Gewerbetätigkeit in Polen

Eine Gewerbetätigkeit kann in Polen in verschiedenen Formen ausgeführt werden. Bei der Wahl der optimalen Form sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, die von den Zielen des Unternehmers, seiner organisatorischen Struktur und seinem Businessmodell abhängen.

Insbesondere im Bereich von E-Commerce müssen u.a. entsprechende Steueraspekte aber auch Fragen zur Haftung, Mangelgewährleistung, Datenschutz oder dem anwendbaren Recht, bei der Wahl des besten Businessmodells berücksichtigt werden.

Nicht immer wird es für einen Unternehmer notwendig sein eine Unternehmensstruktur in Polen aufzubauen, da ausländische Unternehmer ihre Waren und Dienstleistungen in Polen auch direkt anbieten können.

Es kann jedoch vorkommen, dass aus steuerlicher oder rechtlicher Sicht eine Zweigniederlassung oder eine Tochtergesellschaft in Polen vorteilhafter sein kann.

Einen Überblick zu den verschiedenen Formen der Gewerbetätigkeit in Polen finden Sie in unserem Beitrag hier.

E-Commerce in Polen - Internationaler Fernverkauf und das anwendbare Recht

Falls ein Unternehmen beschließt eine Tochtergesellschaft in Polen, die für die Führung der Gewerbetätigkeit in Polen verantwortlich sein wird, zu gründen, bestehen keine Zweifel in Bezug auf das anwendbare Recht, da sowohl der Verkäufer, wie auch der Käufer ihren Sitz in Polen haben werden. In diesem Fall werden für den Fernverkauf polnische Rechtsvorschriften Anwendung finden.

Sofern jedoch ein Unternehmer sich dazu entscheidet keine Unternehmensstruktur in Polen aufzubauen und somit seine Waren und Dienstleistungen direkt aus dem Ausland zu vermarkten, muss vor allem die Frage des anwendbaren Rechts geklärt werden.

Bei Rechtsgeschäften innerhalb der EU wird das anwendbare Recht anhand der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM I) bestimmt.

Gemäß Art. 6 der o.g. Verordnung unterliegt ein Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer dem Recht des Staates in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer:

  1. seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder
  2. seine Wirtschaftstätigkeit auf irgend einer Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet

sofern dieser Vertrag im Bereich der Wirtschaftstätigkeit des Unternehmers liegt.


Beispiel 1

Ein deutscher Unternehmer bietet in seinem Onlineshop Autoteile an. Bei den Lieferinformationen werden Lieferungskosten der gekauften Waren nach Polen angegeben. Sofern also ein Verbraucher aus Polen in dem Onlineshop einen Kauf tätigt und die Lieferung der Waren nach Polen stattfinden wird, werden für diesen Verkauf polnische Rechtsvorschriften (z.B. bezüglich Vertragsrücktritt, Garantie, Gewährleistung usw.) Anwendung finden. Der Verbraucher darf also beispielsweise innerhalb von 14 Tagen von dem Vertrag zurücktreten, ohne einen Grund anzugeben.


Beispiel 2

Ein Onlineshop aus Österreich hat beschlossen seine Internetseite auf polnisch übersetzen zu lassen, um seinen polnischen Kunden die Nutzung der Internetseite zu erleichtern. Sofern ein Verbraucher aus Polen auf dieser Internetseite einen Kauf tätigt, werden auch für diesen Vertrag polnische Rechtsvorschriften Anwendung finden.


Falls die Wirtschaftstätigkeit eines Unternehmens nicht auf Polen oder die EU ausgerichtet ist und die Parteien keine Vereinbarung über das anwendbare Recht getroffen haben, so werden auf sämtliche Verträge mit polnischen Verbrauchern die Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, Anwendung finden (gemäß Art. 4 der o.g. EU-Verordnung).


Beispiel 3

Ein Unternehmer führt eine Internetseite die weder auf Polnisch übersetzt worden ist, noch Lieferungsmöglichkeiten in andere EU-Länder (darunter auch Polen) vorsieht. In so einem Fall ist das Angebot eindeutig auf den Staat in dem der Unternehmer seine Waren anbietet ausgerichtet und nur Rechtsvorschriften dieses Staates werden Anwendung finden.


Die freie Rechtswahl ist auch eingeschränkt

Ungeachtet des o.g. Art. 4 und 6 können Parteien das auf einen Vertrag (auch bei internationalen Verträgen mit Verbrauchern) anzuwendende Recht auswählen.

Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben.

Hierbei ist zu beachten, dass die Rechtswahl nicht dazu führen kann, das dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (z.B. Gewährleistungshaftung).


Beispiel 4

Bei dem Abschluss eines Kaufvertrages zwischen einem deutschen Unternehmer und einem polnischen Verbraucher haben die Parteien das deutsche Recht gewählt. Trotz der Rechtswahl werden die polnischen Vorschriften über die Einschränkung der Möglichkeit des Ausschlusses der Gewährleistungshaftung auf diesen Vertrag Anwendung finden.


Rechtswahl und gerichtliche Zuständigkeit

Von der Rechtswahl ist die gerichtliche Zuständigkeit zu unterscheiden. Mit der Rechtswahl entscheiden die Parteien nach welchen Rechtsvorschriften das Rechtsgeschäft beurteilt werden soll, wobei die gerichtliche Zuständigkeit entscheidet, vor welchem Gericht (dem Gericht welchen Staates) ein eventueller Rechtstreit geführt werden soll.

Bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern wird die Zuständigkeit anhand Abschnitt 4 der EU-Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, bestimmt.

Gemäß der o.g. Verordnung können Ansprüche eines Verbrauchers gegen einen Unternehmer grundsätzlich entweder vor dem Gericht des Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Unternehmer seinen Sitz hat, oder ohne Rücksicht auf den Sitz des Unternehmers vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. 

Die Klage des Unternehmers gegen einen Verbraucher kann hingegen nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

Beide Parteien können von den o.g. Vorschriften, u.a. unter folgenden Bedingungen, im Wege einer Vereinbarung, abweichen:

  1. wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird,
  2. wenn sie dem Verbraucher die Befugnis einräumt, andere Gerichte (außer der Gerichte des Unternehmers und des Verbrauchers) anzurufen.

Eine Vertragliche Bestimmung der Zuständigkeit, die vor Eintritt des Rechtsstreites zugunsten des Unternehmers erfolgt ist grundsätzlich untersagt.


Beispiel 5

Ein deutscher Unternehmer hat einem polnischen Verbraucher Waren für einen Gesamtbetrag von EUR 5.000 verkauft. Vor Abschluss des Vertrages wurde das deutsche Recht gewählt. Der polnische Verbraucher hat den vereinbarten Kaufpreis in der abgemachten Frist nicht bezahlt. Der Unternehmer kann also gegen den Verbraucher eine Klageschrift einreichen in der er u.a. Verzugszinsen gemäß deutschem Recht fordert. Die Klageschrift muss jedoch vor dem polnischen Gericht eingebracht werden.


Beispiel 6

Ein polnischer Verbraucher hat in einem österreichischen Onlineshop braune Lederschuhe gekauft. Als die Ware nach Polen zugestellt worden ist, hat sich herausgestellt, dass der Verbraucher schwatze Lederschuhe erhalten hat. Trotz Zurücksendung der Schuhe, mit der Aufforderung diese auf braune Schuhe auszutauschen, hat der Unternehmer diese nicht ausgetauscht. Aus diesem Grund ist der Verbraucher vom Vertrag zurückgetreten und hat den Unternehmer zur Rückerstattung der getragenen Kosten aufgefordert. Sofern der Unternehmer dieser Forderung nicht nachkommt, kann ihn der Verbraucher vor einem Gericht in Österreich oder in Polen klagen.


Fazit

Im Hinblick auf das o.g. ist es für Unternehmer aus dem Bereich E-Commerce in Polen, die ihre Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland anbieten möchten, sehr wichtig die in Polen geltenden Rechtsvorschriften zu kennen, da, trotz der Rechtswahl, einige dieser Vorschriften nicht ausgeschaltet werden können.

Wenn man gleichzeitig beachtet, dass die Zuständigkeit bei Rechtsgeschäften mit polnischen Verbrauchern vor allem die Verbraucher schützt, indem bei Rechtsstreiten grundsätzlich polnische Gerichte zuständig sein werden, ist es oft vorteilhafter das Recht, das der gerichtlichen Zuständigkeit entspricht (also das polnische Recht) zu wählen. Anderenfalls kann es dazu kommen, dass z.B. ein polnisches Gericht anhand von deutschen Rechtsvorschriften entscheiden muss, was sicherlich zu einer Verlängerung des Verfahrens führen wird.

Aus diesem Grund sollte jeder Unternehmer, noch vor Abschluss des ersten Rechtsgeschäftes mit einem polnischen Verbraucher, sich genau mit der Rechtslage und den entsprechenden Voraussetzungen, sowie den Rechten und Pflichten der Teilnehmer eines Fernverkaufs in Polen bekannt machen.

In unseren nächsten Beiträgen befassen wir uns mit weiteren Themen aus dem Bereich E-Commerce in Polen.

Als nächstes besprechen wir die Mehrwertsteuer beim Fernverkauf nach Polen. 


Adam Intek
Rechtsanwalt - PL